„Dshamilja“ von Tsching Aitmatow
Es gibt Bücher, deren Magie erschließt sich im Rückblick nicht mehr. Rausgewachsen ist man aus ihnen wie aus zu klein gewordenen Kleidern.
Der Steppenwolf beispielsweise, den kann ich nicht mehr lesen so wie damals, weil ich eine andere geworden bin. Nicht mehr ganz so radikal, nicht mehr ganz so euphorisch. Milder bin ich mit dennoch gelegentlichen Ausbrüchen und das mag einer der Gründe sein, warum mir dieses Buch mittlerweile ein wenig fremd ist, so wie man etwas verwundert auf alte Liebschaften zurückblickt und nicht mehr sagen kann, was einen damals angezogen hat und den anderen so unwiderstehlich erscheinen lies.
Aber es gibt Bücher, die berühren mich noch immer an den immer gleichen Stellen. Vielleicht weil ich in ihnen mein Ich von damals sehe. Dshamilja ist so eines. Ich habe es gerade noch einmal gelesen. An einem Samstag Vormittag aus Verlegenheit. Ich hielt es beim Aufräumen auf einmal in der Hand, wollte mich nur kurz damit aufs Sofa setzen, um etwas reinzulesen und konnte dann kein Ende finden.
Es war so, genau so, wie damals.
Nicht umsonst, wird sie bezeichnet, als eine der schönsten Liebesgeschichten, die jemals geschrieben wurde. Die Fremdheit der mongolischen Steppe, die Freiheit, die Sehnsucht, die Bedingungslosigkeit dem Herz zu folgen hat nichts und rein gar nichts von seiner Magie verloren. Es hat etwas Unschuldiges an sich und etwas sehr Wissendes. Ich weiß, dass ich es noch mit achtzig werde lesen können und berührt sein von der Absolutheit. Vielleicht noch mehr, weil einen das Alter klarer sehen lässt und das Essentielle stärker hervortritt. In einem meiner ersten Grundschulzeugnisse stand, dass ich mich zuweilen wild und ungezügelt verhielte. Das hat sich gelegt im Laufe des Lebens. Angepasst passend gemacht. Aber in dieser schönen Geschichte Dshamilja finde ich diesen Teil wieder.
Wer Dshamilja noch nicht kennt, sollte diesen Zustand schleunigst beenden. Es ist nie zu spät. Es ist zeitlos.
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