September 15, 2019

„Sunday sketches“ von Christoph Niemann

“Die leisen Töne werden gehört”, bemerkte einmal ein Kollege, als ich mich und ihn fragte, ob ich in der lautstarken Männerrunde nicht anders hätte auftreten sollen. Der Satz hat mich lange begleitet und tut es heute noch.

Es gibt eine sehr feine Art der Kommunikation, die reduziert, sehr treffend ist, die weglässt und gerade darum mehr sagt. Die Bilder von Christoph Niemann sprechen so. Sehr leise, sehr direkt. Christoph Niemann ist Illustrator. Er hat viele Cover des New Yorker gestaltet, einen herrlichen Instagram-Account (allein diese Illustration, wie Social Media funktioniert ist so herrlich), eine wunderschöne App für Kinder herausgebracht, ebenso wie diverse Bücher. Er hat eine ganz eigene Sicht auf die Welt. Einen liebevollen Blick. “Man würde gerne einmal einen Tag in seinem Kopf verbringen”, so hat es der Feuilleton-Chef der Süddeutschen in einem Artikel über ihn formuliert.

Man merkt ich bin begeistert von ihm und nicht nur deswegen habe ich in den letzten Tagen und Wochen ganz viel in seinem neusten Buch “Sunday Sketching” geblättert. In den Momenten, in denen es mir schwer fiel mit einer Aufgabe zu beginnen, weil ich immer noch kein schlüssiges Konzept hatte, half mir sein ehrlicher Bericht, dass es meist nie die erste Variante ist, die zum Schluss das Rennen macht. Dass die vielen Zwischenversuche aber auch nicht übersprungen werden können, sondern zum Prozess dazugehören. Dass es selbst einem wie ihm so geht, hat eine derart beruhigende Wirkung, dass ich mit mir selbst gleich gnädiger wurde und anfing.

Eine seiner Serien, die auch im Buch einen großen Teil einnimmt, sind Zeichnungen, in denen er Alltagsobjekte so lange betrachtet, bis daraus ein neues Bild entsteht. Das sieht am Ende immer leicht aus, aber je unabsichtlicher der Pinselstrich scheint, desto mehr gedankliche Arbeit floss im Vorfeld hinein. Was hilft: Zu wissen, dass vieles auch Handwerk ist und man zwar nichts Geniales, aber immer etwas Gutes abliefern kann. Das kommt mit Übung und den Jahren.

Und noch eines, das mir sehr gefallen hat ist sein Lebens- und Arbeitskonzept. Er hatte von Google gehört, dass sie ihren Mitarbeitern 10% ihrer Arbeitszeit für freie Projekte zugestehen und als ihm auffiel, dass viele der Dinge, von denen er heute lebt aus Arbeiten entstanden sind, die er vor vielen Jahren an Samstagen aus Liebhaberei und reiner Lust am Tun begann, beschloss er das “Google Prinzip” auf sein eigenes Berufsleben anzuwenden. Zehn Prozent seiner Arbeitszeit verbringt er heute mit Dingen, für die es keinen direkten Auftrag oder schlichte Notwendigkeit gibt. Ein Konzept, dass ich in Teilen auch schon so lebe, aber so berichtet, erschien es mir nochmals mehr schlüssig.

Wer nicht vor kreativen Herausforderungen oder Fragen der Lebensgestaltung steht: Trotzdem lesen. Es ist ein ganz ruhiges, sehr lustiges Buch. Es verpackt Wahrheiten auf eine leise, weise Art. Es ist eines der liebevollen Bücher, eines das Mut macht. Es macht etwas mit einem. Vielleicht das, was Christoph Niemann, als eines seiner Rezepte für seine Arbeit und Kreativität beschreibt:

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